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Prospekt

Der Orgelprospekt ist der für den Zuhörer sichtbaren Teil einer Orgel. Er kann einem klaren Werkprinzip folgen, aber auch frei künstlerisch gestaltet sein. In jedem Falle ist wichtig zu beachten, dass die Orgel das einzige Instrument ist, dass keinen strikten baulichen Vorgaben zu entsprechen hat.


Bei der Gestaltung und Gliederung des Prospekts spricht man von Flachfeldern, Harfenfeldern, Pedal-, Spitz- und Rundtürmen. Diese Begriffe beschreiben jeweils die Form, wie die Pfeifen, sog. Prospektpfeifen, zur Schau gestellt werden. Im Prospekt finden sich nebst den Prospektpfeifen auch Blindpfeifen und Pfeifen in Überlänge. Die klingenden Pfeifen sind meist dem Prinzipal-Register zugeordnet, oder alternativ als Prästant bezeichnet.


Der Prospekt ist oftmals symetisch aufgebaut, was gestalterisch eine Schwierigkeit birgt: Die Pfeifen sind, je nach zu erbringenden Tonhöhe unterschiedlich lang und breit. Häufig werden die Pfeifen desshalb links und rechts alternierend positioniert. Man spricht von der C-Seite und der Cis-Seite. Alternativ kann dieser Längenunterschied optisch durch überlange Pfeifen (auf der Cis-Seite oder beidseitig) ausgeglichen werden.


Der Prospekt gibt häufig rückschluss daraus, aus welcher zeitlichen Epoche die Orgel stammt, oder welcher Epoche sie nachempfunden wurde.


Gotik

Bei Orgeln der Gotik finden sich in der Prospektgestaltung oft die Merkmale der damaligen Zeit: Viele Verschnörkelungen, Leichtigkeit und aufwändige Verzierungen. Eben ganz, wie in der gotischen Architektur. Das Gehäuse diente primär dem Schutz des Instruments und verfügte oft über Flügeltüren. Diese waren auch Schutz, ermöglichten aber auch eine differenzierte Dynamik des Instruments. Da viele Orgeln damals noch als Blockwerk-Orgel konzipiert waren, konnte der Klang nur durch die geschlossenen Türen gedämpft werden. Ausserdem wurden die Flügeltüren während der Fastenzeit verschlossen, um das Schweigen der Orgel und Kirchenglocken zu symbolisieren.

Gotische Prospekte sind meist geprägt von Flachfeldern. Die Prospektpfeifen sind/waren meist die grössten Metallpfeifen. Später, als die Orgel in Register unterteilt wurde entstand so der Prinzipal oder Prästant.


Renaissance

Während der Renaissance wurden aufwändige Orgelgehäuse gebaut. Diese waren meist symmetrisch, waren geprägt von ansteigenden und abfallenden Flachfeldern und verfügten, wie ihre gotischen Vorgänger, ebenfalls über Flügeltüren. Während sich die gotischen Instrumente der Architektur anfügten und oftmals über kleine Spitztürmchen u.ä. verfügten, passten sich Instrumente der Renaissance dem damaligen Möbelbau an. Es wurden aufwändige Schnitzereien, Schleierbretter und Skulpturen in das Gehäuse eingefügt.


Barock

Prospekte des Barocks sind geprägt von einem klaren Werkprinzip. Das heisst, die Werkseinteilung ist von aussen gut ersichtlich. Zudem folgen die Prospekte einer strengen Symmetrie und sind rege verziert mit musizierenden Figuren, Goldleisten und vergoldeten Schleierbrettern.

Die barocken Prospekte unterscheiden sich regional stark: Während sich nördliche Hansestädte aufwändige und grosse Orgeln leisten konnten und somit auch der Prospekt prunkvoll und gross (16-Fuss Prospekte waren keine Seltenheit) ausgefallen sind, waren Orgeln im südlicheren Raum eher geprägt von kleineren Prospektpfeifen, dafür Gehäusen in Marmorbemalung oder verziert mit Stuckmarmor.

Anfangs wurden die einzelnen Teilwerke in kleinen Gehäusen mit Rundtürmen, Spitztürmen und Flachfeldern untergebracht. Gegen Ende des Barocks wurden die Werke wieder grösser, dafür oft in geschwungenen Formen angelegt.

Im Norden (Norddeutschland/Niederlande) fand das Rückpositiv grossen gefallen und wurde vielerorts umgesetzt. Ebenfalls in der Barockzeit sind bei spanischen Instrumenten die Horizontaltrompeten aufgekommen.


Klassizismus

Während sich die Orgeln weiterentwickelt haben, konnte man anfangs keine klare Linie in der Prospektgestaltung ausmachen. Durch den Verlust an Einfluss der Kirche, wurden auch die Orgeln vereinfacht. Weg vom Prunk, hin zu einer rentabel produzierbaren Orgel. So entfiel bald das Rückpositiv, welches zunächst als Teilwerk in das Hauptgehäuse der Orgel integriert wurde. Doch auch das klare Werkprinzip wurde verworfen. Orgeln während des Klassizismus waren oft schlicht, aber symmetisch gehalten. Die Prospekte waren flach und oft beidseitig nur von Harfenfeldern umschlossen. Die Prospektpfeifen wurden preiswert hergestellt, wesshalb es sich meist um Blindpfeifen handelte. Bei diesen musste keine Rücksicht auf Klangverhalten, Eigenschaften und Grösse genommen werden. Die Orgeln wurden also optisch immer einfacher gehalten. Erst später fanden sich im Gehäuse dann Einflüsse des Klassizismus: Als Verzierung wurden Säulen und Kapitellen eingefügt, während das zuvor beschriebene erhalten blieb.


Romantik

Während der Romantik lässt sich zunächst auch kein typischer Orgelprospekt ausmachen. Dies hat verschiedene Gründe. Vereinfacht gesagt, wurden Gehäuse aber erst sehr viel später der Epoche angepasst und waren oft Neugotisch. Nicht selten wurden dafür alte Gehäuse übernommen, was meist einen finanziellen Hintergrund hatte. Da während der Romantik ein wahres Technik-Fieber im Orgelbau entfacht ist, was mehr gestalterischen Spielraum mit sich brachte (bspw. Pneumatik), wurden Elemente der Kirche wieder wichtiger. Die Orgel hatte sich in das Gesamtbild, der nun neu entstehenden neugotischen Kirchen, einzufügen, was dazu führte, dass beispielsweise das Werk in zwei Teile geteilt wurde, welche um das Rosettenfenster platziert wurden. Die Gehäuse waren wieder einfacher gehalten, oft in dunklem Holz, und waren zumeist oben geöffnet, so dass der volle satte Klang, der die Romantik mit sich brachte (viele Register in tiefen Lagen), gegen oben gut entweichen konnte. Dies verlief sich nach und nach in die später aufkommenden Freipfeifenprospekte.


Moderne

Auch in der Epoche der Moderne schlägt der Orgelbau eigene Wege ein. Das Gehäuse wird auf ein Minimum reduziert oder das Gehäuse gar komplett weggelassen. Das Innere der Orgel wird zum Prospekt und auch die zuvor unentbehrliche Symmetrie weicht. Freipfeifenprospekte wurden von der Bevölkerung nicht selten angelehnt, insbesondere wenn dem neuen modernen Orgel-"Look" ein historisches Instrument weichen musste.

Nach Ende des Krieges, sobald der Materialengpass für Pfeifen beseitigt war, wurde sich im Orgelbau klanglich und auch äusserlich wieder mehr am neobarocken Vorbild orientiert, wenn auch nur zurückhaltend: Das Werkprinzip wurde wieder vermehrt umgesetzt und auch Rückpositive wurden wieder öfters gebaut, jedoch fehlten die aufwendigen (neo)barocken Verzierungen mehrheitlich oder ganz. Auch die strenge Symmetrie des barocken Vorbilds wurde nicht immer akkurat umgesetzt, viel mehr werden die Pfeifen chromatisch in den Prospekt gestellt. 

Ausserdem werden auch alte Gehäuse mit neuen Pfeifen, Laden und Mechanik reaktiviert.


Gegenwart

In der heutigen Zeit entwickelt sich die Orgel wieder mehr zu einem eingeständigen Inventar der Kirchen und Säle. Zwar bleibt die moderate neobarock Gestaltung, und auch klanglich hat sich dies als allgemeingültig durchgewunden, doch werden die Orgeln wieder mehr geschmückt. Im Gegensatz zu diesen traditionell gehaltenen Instrumenten erheben sich die modernen Prospekte, die zu regelrechten Kunstwerken anmuten und nicht selten von Künstlern und Architekten entworfen werden. Die Orgel, bzw. ihr Prospekt meistert desshalb meist eine Gratwanderung zwischen stiller Zurückhaltung und markanter Präsenz. 

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